Art. 782. Unter der Ausstellung eines Wechsels in blanco versteht man das Geben der leeren Unterschrift, ohne den Inhalt der Willenserklärung oder der durch die Unterschrift übernommenen Verpflichtung selbst hinzuzusetzen, indem man vielmehr diese Ausfüllung des leeren Platzes auf dem Wechsel dem späteren Inhaber überlässt. Es ist nun ein anerkannter Satz des Wechselrechts, dass die leere Ausstellung ganz ebenso verpflichtet wie die volle, und daraus muss man die Folgerung ableiten, dass nicht nur die Zeit, zu welcher ein Wechsel seine volle Formrichtigkeit erhält, gleichgültig ist, sondern auch die Person, welche den Inhalt thatsächlich niederschreibt. Letzteres wird sogar auf die Unterschrift selbst ausgedehnt; wenn nämlich die Unterschrift des Ausstellers oder Acceptanten etc. nicht von ihm selbst, sondern mit dessen Zustimmung von einer anderen Person geschrieben werde, so ist sie ebenso verpflichtend, als wenn sie der Aussteller selbst geschrieben hätte. Ztschr. für H. R. Bd. 13. p. 260. In derselben Weise und ganz mit derselben Wirkung kann auch ein Accept, Indossament und jede andere Erklärung auf dem Wechsel in blanco gegeben werden.
Wieviel auf dem Wechsel leer gelassen, und wieviel von dem Aussteller etc. selbst ausgefüllt wird, ist ganz gleichgültig. Wenn der Aussteller ein ganz leeres Wechselformular unterzeichnet, so kann die Summe, das Datum, die Verfallzeit, der Zahlungsort, ja auch der Name des Bezogenen von dem Inhaber nach Belieben eingesetzt werden. Ja selbst wenn Jemand nur seine Unterschrift auf ein leeres Blatt setzte, hätte der Inhaber des Blankets die gleiche Befugniss der Ausfüllung, wie wenn etwa nur die Summe, oder der Name des Nehmers etc. leer gelassen worden wäre. Allerdings nur in dem Falle, wenn der Unterzeichner damit einen Wechsel creiren wollte. Fehlt es an dieser letzteren Voraussetzung, so kann gegen den Unterzeichner ein Recht aus dem Wechsel nicht geltend gemacht werden. Denn ein solcher Wechsel wäre in Bezug auf ihn ein gefälschter Wechsel, und es käme Art. 770 zur Anwendung, wornach durch eine Fälschung bereits entstandene Verpflichtungen nicht berührt, also, wenn sie überhaupt nicht bestanden, auch nicht hervorgebracht werden können. Das allgemeine Princip, dass Niemand gegen seinen Willen contractlich verpflichtet werden kann, muss auch im Wechselrechte aufrecht erhalten werden.
Das Geben eines Wechselblankets ist ein Vertrauensact, dem in der Regel gewisse Verabredungen zwischen den Parteien zu Grunde liegen werden, selbst wenn dem Nehmer dadurch ein unbegrenzter und unbeschränkter Credit gewährt werden soll. Dieses Vertrauen darf nicht gemissbraucht werden; gegen jede spätere Ausfüllung, die der Verabredung widersprechen würde, kann der Aussteller daher die Einrede erheben, dass der ausgefüllte Inhalt ihn nicht verpflichte, weil die Ausfüllung wider besseres Wissen und in unredlicher Absicht geschah. Gegen dritte Personen, also spätere Inhaber, ist diese Einrede natürlich nicht zulässig, soferne sie an der Verabredung nicht theilnahmen, ausgenommen, wenn sie bei der Annahme des Wechsels davon wussten; denn auch dann würden sie gegen besseres Wissen und nicht mehr im guten Glauben handeln. Hierauf macht es keinen Unterschied, ob sie selbst die leere Stelle ausfüllten oder ob dieselbe schon ausgefüllt war, als der Wechsel in ihre Hände überging. Ueberdies steht jedem Inhaber eines Wechsels die Vermuthung zur Seite, dass dessen ganzer Inhalt, gleichviel wann und durch wen in gesetzmässiger Weise entstanden sei, und derjenige, welcher dagegen den Einwand des bösen Glaubens erhebt, muss die speciellen Umstände desfalls darthun und beweisen.
Das Recht der Ausfüllung gibt nicht auch das Recht der Aenderung dessen, was bereits ausgefüllt ist, entweder von dem Aussteller, oder von einem früheren Inhaber, oder von dem betreffenden Inhaber selbst. Ebenso wenig dürfen zu dem, was bereits im Wechsel steht, später beliebige Zusätze gemacht werden.
Ebenso wenig können durch Ausfüllung eines Blankets die Personen des Wechselcontracts willkürlich geändert werden. Wer mithin ein Blanco-Accept, d. h. ein bereits aeceptirtes, aber noch nicht mit der Unterschrift eines Ausstellers versehenes Wechselformular als Aussteller unterschreibt, erlangt dadurch kein Wechselrecht gegen den Acceptanten, wenngleich seine Unterschrift in jeder anderen Beziehung für ihn verpflichtend wirkt. Und umgekehrt, wenn Jemand ein nicht für ihn bestimmtes Wechselformular, auf dem aber der Name des Bezogenen ausgelassen war, als Bezogener unterschreiben würde, könnte er dadurch nicht die Rechte des Acceptanten gegen den Aussteller erlangen. Ztschr. für H. R. Bd. 15 p. 97 ff. Die Rechte dritter Personen, namentlich späterer Inhaber, können allerdings durch solche Mängel nicht beeinträchtigt werden; denn sie können von den zwischen den betheiligten Personen, gleichsam hinter den Coulissen, gemachten Vereinbarungen nichts wissen, sie halten sich vermöge der formalen Natur des Wechsels an die blosse Existenz und die augenscheinliche Formrichtigkeit des Wechsels.
Allein es verhält sich anders zwischen denjenigen, welche einer getroffenen Vereinbarung wissentlich zuwider handeln; sie können im Widerspruch damit keine Rechte erwerben, sonst würde der Wechselverkehr den gröbsten Missbräuchen und Betrügereien ausgesetzt. Zwischen dem Aussteller und Bezogenen besteht ein contractliches Verhältniss des Mandats und der Deckung und dieses Rechtsverhältniss kann zwischen ihnen nicht durch den beliebigen Eintrag einer anderen Person geändert werden.
Das Recht der Ausfüllung bezieht sich nur auf den absolut nothwendigen Inhalt eines Wechsels, nicht auch auf den relativ nothwendigen. Denn der Inhaber darf den durch die Existenz des Wechsels geschaffenen Verpflichtungen nicht willkürlich Modificationen oder Zusätze beifügen. Mithin kann der Inhaber nicht einen Domiciliaten beifügen, oder aus einer gewöhnlichen Tratte eine Commissionstratte machen u. s. w. Nur die Existenz des Wechsels — und ebenso des Indossaments, des Accepts etc.— darf durch die Ausfüllung gesichert, nicht aber darüber hinaus der bereits existirende Contract einseitig geändert werden. Mithin ist jeder Zusatz zu dem Inhalte eines bereits vollständigen Wechsels als eine Fälschung zu beurtheilen. Thöl, Wechselrecht § 34 fin.
Wenn Jemand durch Missbrauch des Vertrauens, mittelst falscher Ausfüllung eines Blanco-Wechsels, den Aussteller oder Acceptanten in Schaden bringt, kann er, jedoch nicht der gutgläubige dritte Besitzer, nach Art. 772 von dem Aussteller oder Acceptanten zur Herausgabe des Wechsels angehalten werden. Ebenso können verlorene etc. Blancowechsel zur Amortisation aufgeboten werden.