Art. 812. Die Zahlung eines Wechsels ist auf verschiedene Weise gesichert. Einmal durch das Accept des Bezogenen, sodann durch die Unterschriften des Ausstellers und der Indossanten, und weiterhin gegebenen Falles durch die Intervention eines Nothadressaten oder einer dritten Person. Alle diese Wechsel verpflichteten nehmen eine besondere Stelle im Wechselverbande ein, und ihre Verpflichtung entspringt nur daraus, dass sie diese Stelle eingenommen haben. Ihrer wechsel mässigen Verpflichtung entspricht eine wechselmässige Berechtigung, der Verpflichtung der Acceptanten und Intervenienten der Anspruch auf Deckung, und der des Ausstellers und der Indossanten das im Wechselverkehr durch Verkauf oder anderweit erlangtei Recht auf die Valuta oder den Gegenwerth des Wechsels, obgleich diese Berechtigungen wegen der formalen Natur des Wechsels nicht absolut, wie im gewöhnlichen Rechtsverkehr, durch Einrede geltend gemacht werden können. Verschieden von diesen Verpflichtungen ist nun diejenige, welche man durch Aval, Wechselbürgschaft, übernehmen kann. Aval bedeutet wörtlich unter (a val, a valle) und man bezeichnet damit eine Unterschrift, welche auf dem Wechsel unter die eines anderen Wechselverpflichteten gesetzt werden kann. Der Wechselbürge, Avalist, steht ausserhalb des regelmässigen Wechselverbandes; er tritt nur von aussen hinzu, um die Verpflichtung eines anderen Wechselschuldners mit zu übernehmen, was dadurch geschieht, dass er seine Unterschrift auf dem Wechsel gibt. Er kann sich für den Acceptanten, Aussteller oder einen Indossanten verbürgen; die Person, mit welcher er sich solidarisch verpflichtet, wird durch den Platz bezeichnet, wo sich seine Unterschrift befindet. D. W. O. Art. 81. Code de comm. Art. 141. Es ist gleichgültig, ob blos die Unterschrift gegeben, oder ob der Zusatz „ als Bürge,” „ per aval ” oder eine ähnliche Formel beigefügt wird. Die blosse Unterschrift ist verpflichtend. Der Avalist ist immer in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen verpflichtet, wie derjenige, dessen Unterschrift er die seinige beigefügt hat; jedoch mit dem Unterschiede, dass seine Verpflichtung freiwillig und rein conventionell ist, während die der übrigen Wechselschuldner von selbst durch ihren Eintritt in den Wechselverband entsteht und nothwendig ist. Ein Aval kann nur von Jemandem gegeben werden, der wechselfähig ist (Art. 762), aber von Keinem, der bereits anderweitig aus dem Wechsel verpflichtet ist.
Es ist nicht absolut nothwendig, dass der Name des Avalisten gerade unter der Unterschrift des anderen Verpflichteten steht; er kann auch darüber oder daneben gesetzt werden, ja auch auf einen anderen Platz, wenn nur der Zweck einer solchen Unterschrift deutlich zu erkennen ist. So z. B. wäre die Unterschrift mit dem Zusatze „angenommen” quer über den Wechsel oder auf der Rückseite desselben als gültiger Aval anzusehen, vorausgesetzt dass der Wechsel das Accept des Bezogenen trägt, denn dies wäre immer noch eine genügende Mitunterzeichnung. Dagegen wäre die alleinige Unterschrift des Avalisten wirkungslos, wenn die Unterschrift des Mitverpflichteten fehlte, wenn z. B. der Wechsel nicht von dem Bezogenen, sondern von einer ganz anderen Person allein acceptirt würde. Dagegen hat man den Aval unter dem ausgestrichenen Accept des Bezogenen für verpflichtend erklärt, weil die Verpflichtung eines Solidarschuldners dadurch nicht aufhört, dass der andere Schuldner befreit wird. Borchardt, Zus. 614. Thöl, Wechselrecht § 146 Note 1. Würde ein auf den Ehemann gezogener Wechsel von der Ehefrau mit deren Namen acceptirt, so wäre gleichfalls weder ein gültiges Accept noch ein gültiger Aval vorhanden.
Diese Frage kann besonders verwickelt werden, wenn es sich um Gesellschaftsverhältnisse handelt. Angenommen, ein Wechsel ist auf den Kaufmann A gezogen, der später mit B eine Handelsgesellschaft eingeht mit der Firma A und Co-., und der Wechsel wird sodann von B acceptirt, indem dieser die Firma A und Co-., zeichnet und seinen Namen darunter setzt, so könnte man sagen, der Wechsel ist nicht gültig acceptirt, weil er nicht auf die Firma A und Co., gezogen war, mithin auch die Unterschrift des B wirkungslos. So ist auch von Deutschen Gerichten entschieden worden. Borchardt, p. 399. Diese Entscheidung ist formell richtig, aber der materiellen Gerechtigkeit und auch den Interessen des Handelsverkehrs zuwider. Daher würde es richtiger sein, die Firma A und Co-. als Rechtsnachfolgerin des A in geschäftlicher Hinsicht aufzufassen, welche dann gleich einem Erben, in die Rechtsverhältnisse des A eingetreten wäre und sich für diesen gültig verpflichten könnte. Die genannte Unterschrift wäre dann zwar kein Aval, wohl aber ein gültiges Accept. Immerhin könnte dann nicht B persönlich, wohl aber die Gesellschaftsfirma A und Co-. aus dem Accepte in Anspruch genommen werden.
Der Avalist haftet, wie der Principal-Schuldner, für den ganzen Betrag, mit Ausschluss der Einreden der Theilung und der Vorklage, und es ist auch die Ungültigkeit der Unterschrift des einen auf die Verpflichtung des anderen nach Art. 763 ohne Einfluss; es wäre daher irrelevant, wenn die Unterschrift des einen gefälscht oder auch erst später hinzugefügt wäre. Es kann auch der Aval in blanco, und für eine künftige Wechselschuld gegeben werden. Bravard III. p. 319. Dies ist namentlich von Bedeutung, wenn der Betrag der Wechselsumme erst später zugefügt würde.