Art. 653. In diesem Artikel wird bestimmt, dass in Handelssachen für jedes Darlehen oder was dem gleich steht, ein Zins auch ohne ausdrückliche Vereinbarung gefordert werden kann. Im Civilrechte gilt dieser Satz nicht; nach Civilrecht können Zinsen nur gefordert werden, wenn sie ausdrücklich stipulirt werden, obgleich freiwillig gezahlte Zinsen nicht mehr zurückgefordert werden dürfen. Code civ. Art. 1905. 1906. Letztere Bestimmung ist indessen schon eine Annäherung an das handelsrechtliche Princip, dass jedes Capital seiner Natur nach zinstragend d. h. productiv sein müsse, und dass im Handel Capitalien nur im Hinblick auf productiven Gewinn zur Verwendung kommen. Der Credit im Handel ist seiner Natur nach nicht unentgeltlich, wie er es im gewöhnlichen Privatleben sein kann. Wer den Nutzen fremden Capitals in seinen Handelsgeschäften hat, muss diesen Nutzen bezahlen. Es ist wohl zu bemerken, dass hier nicht von Verzugszinsen für fällige, aber unbezahlt gebliebene Forderungen die Rede sind nach Art. 377. Sondern es bandelt sich hier um Verzinsung von Capital vom Zeitpunkt der Verwendung desselben in fremden Nutzen, bis zur Heimzahlung desselben. Ganz allgemein ist dieser Grundsatz schon in Art. 378 ausgesprochen, er wird aber hier speciell für das Darlehen wiederholt, weil im Civilrecht hiefür gerade die entgegengesetzte Regel gilt. Dies ist auch im Deutschen H. G. B. Art. 290 anerkannt, und gilt wohl auch in den meisten anderen Gesetzgebungen (für sog. casch advances.) Im Span. Gesetzbuch Art. 394 ist allerdings noch ausdrückliche und zwar schriftliche Zinsstipulation vorgeschrieben, ebenso wie im Code civil Art. 1907. Allein diese Vorschrift muss im Handel als veraltet bezeichnet werden.
Der Grundsatz, dass für die Benützung fremden Capitals Zins zu entrichten ist, findet keine Anwendung, wenn das Gegentheil entweder speciell für gewisse Darlehen, Vorschüsse etc. oder im Zusammenhang mit anderen Contracten vereinbart wurde. Es kann z. B. bedungen werden, dass vom Zeitpunkt der Fälligkeit des Capitals der Zinsenlauf aufhören soll, auch wenn der Gläubiger das Capital länger stehen lässt, oder es kann einem Commissionär die zinslose Benützung der bei ihm für den Committenten eingehenden Gelder bis zu einer gewissen Zeit eingeräumt werden.
Auch kann ein Zins nur für Capital gefordert werden, nicht auch für Arbeiten und Dienste. Die Gebühren, die ein Commissionär zu fordern hat, tragen nicht von selbst Zinsen, sondern höchtens wenn sie durch Berechnung in eine Capitalschuld verwandelt wurden. Verzugszinsen vom Zeitpunkt der Fälligkeit solcher Beträge werden hierdurch nicht berührt.
Die Höhe des Zinses bleibt der freien Vereinbarung überlassen. Der Entwurf schlägt auch in dieser Beziehung kein gesetzliches Zinsmaximum vor. Ist keine Vereinbarung getroffen, so muss der übliche Zins entrichtet werden, wie er nach der Natur der betreffenden Geschäfte Gebrauch ist. Wenn der Darleiher eine besondere Gefahr übernimmt, kann üblicher Weise ein höherer Zins als der gewöhnliche berechnet werden. In dieser Hinsicht kann allein der Handelsgebrauch massgebend sein.