Art. 577. Das Princip der Entschädigung für persönliche Verletzung oder Beschädigung ist äusserst schwer festzustellen, soferne es sich um mehr als um die durch einen Unglücksfall verursachten Kosten und Auslagen handelt. Ueber den Ersatz der letzteren kann kein Zweifel bestehen, da sie dem Verunglückten oder seinen Rechtsnachfolgern einen directen Vermögensverlust zufügen. Es gehören dahin aber nur die Heilungs- und besondere Unterhalts kosten—z. B. in einem Hotel, Krankenhaus, überhaupt äusser dem Hause oder wegen besonderer Speisen und Getränke etc.—nicht auch die Beerdigungskosten, da jeder Mensch einmal sterben muss, und der Umstand, dass der Tod früher und durch Schuld eines Anderen eintrat, für Niemanden ein rechtmässiger Grund sein kann, sich auf fremde Kosten begraben zu lassen. Dagegen erblickt man das Princip der persönlichen Entschädigung auch noch in einer Vergütung für geminderte oder verlorene Erwerbsfähigkeit, wofür im Fall des Todes die unterhaltsberechtigten Angehörigen schadlos zu halten sein. Der Entwurf ist diesem Princip nicht beigetreten, da es ein fehlerhaftes zu sein scheint. Einmal liegt der Werth des Lebens oder der Gesundheit etc. überhaupt nicht in der Erwerbsfähigkeit, sondern ist viel grösser und in Geld unschätzbar, so dass mit einer Entschädigung nach dem Massstab der Erwerbsfähigkeit doch kein voller Ersatz erlangt wird. Sodann hat Niemand sein Leben oder seine Gesundheit in seiner Macht, so dass Niemand mit Gewissheit sagen kann, dass er ohne den Unfall länger gelebt oder unverletzt geblieben wäre, und wer an ein Schicksal oder eine göttliche Vorsehung glaubt, muss stets annehmen, dass dem Verunglückten gerade dieser Tod und dieser Unfall besehieden waren. Ferner ist die Erwerbsfähigkeit etwas so rein persönliches, dass sie niemals in causalen Zusammenhang mit einem Unfalle gebracht werden kann. Durch einen' und denselben Unglücksfall können Säuglinge und erwachsene Männer, Kranke und Gesunde, Starke und Schwache, Virtuosen nnd Bänkelsänger, Millionäre und Bettler getödtet werden und nie wird man mit Recht sagen können, dass eine gerechte Entschädigung darin liege, dass Jeder nach seiner Erwerbsfähigkeit entschädigt werde. Reiche müssten sich — nach Analogie des Art. 559 — vorher declariren und ein höheres Fahrgeld bezahlen, wenn diese Art von Entschädigung gefordert werden wollte. Viele werden diese Entschädigung gar nicht verlangen, für Andere könnte sie unter Umständen ein Glücksfall sein. Der Verlust einer Hand oder eines Fusses bedeutet für den Einen nichts weiter als körperliche Missgestalt, für den Anderen lebenslängliche Armuth ; und auch diese ist wieder ganz verschieden, je nachdem sie z. B. eine berühmte Tänzerin im Glanz der Jugend und Schönheit, oder eine arme alte Arbeiterin trifft. Nach allen diesen, noch leicht zu vermehrenden Erwägungen erleidet es keinen Zweifel, dass zwischen einem Unglücksfall und einer persönlichen Verletzung etc. kein innerer Zusammenhang hinsichtlich des dadurch bewirkten Vermögens schadens besteht, dass überhaupt ein die Person treffender Schaden in Geld gar nicht gleichmässig bemessen werden kann. Die Person gehört nicht zu den Vermögensgegenständen, und der Massstab des gewöhnlichen Vermögensschadens ist hier unanwendbar.
Andererseits lässt sich nicht läugnen, dass der blosse Ersatz der Kosten und Auslagen nicht genügt, schon desshalb, weil der Schuldige dabei in den meisten Fällen zu leicht wegkäme, aber jedenfalls desshalb, weil das natürliche Gerechtigkeitsgefühl auch für persönliches Unglück- Schmerzen, Angst, Verunstaltung, Gebrechlichkeit etc.—eine Entschädigung verlangt, welche zugleich dazu dient, dem Verunglückten oder seinen Angehörigen eine Hülfe zu gewähren, um den erlittenen Vermögensschaden wieder gut zu machen. Das Princip eines Schmerzensgeldes erscheint hiernach richtiger als der doch niemals voll erreichbare Ersatz der Erwerbsfähigkeit. Ueber die Höhe des Schmerzensgeldes lässt sich nichts weiter festsetzen, als dass einerseits die Natur des Unfalls, und sodann sein Einfluss auf die Erwerbsverhältnisse des Betroffenen massgebend sein sollen; und in letzterer Beziehung soll nicht ein voller Ersatz des verlorenen oder geschmälerten Erwerbs, sondern nur eine Beihülfe zur leichteren Ueberwindung des Unglücks gewährt werden. Im übrigen muss über die Höhe dieser Entschädigung die Volksanschauung und die Gewohnheit entscheiden, wobei die Entschädigung in anderen Fällen der fahrlässigen Körperverletzung einen Anhalt geben mag.