Art. 464. Die in diesem Artikel genannten 5 Classen von Handelspersonen haben sämmtlich das gemeinsame, dass sie zwar selbständige Gewerbtreibende sind, aber ihr Gewerbe nur im Auftrage Anderer ausüben, also diesen die Benützung ihrer Arbeitskraft und ihres Capitals zur Verfügung stellen. Als selbständige Gewerbtreibende unterscheiden sie sich von den blossen Handlungsgehülfen, welche in einem Dienstverhältniss zum Principal stehen, obwohl sie factisch vielfach nur solche Handelsverrichtungen übernehmen, welche an sich auch von Gehülfen übernommen werden können und oft übernommen werden. Bei der Ausübung ihres Gewerbebetriebs kommt neben dem des Principals oder Auftraggebers auch ihr eigenes Handelsinteresse in Betracht, was bei Handelsgehülfen nicht der Fall sein kann. Das Interesse der letzteren beschränkt sich auf den bedungenen Lohn, während jene im Verhältniss ihres Capitals und ihrer persönlichen Leistungen selbständig erwerben und gewinnen wollen. Nach dem Vorgange aller übrigen Gesetzgebungen sind daher besondere Bestimmungen nothwendig, um das beiderseits selbständige Handelsinteresse der Auftraggeber und Beauftragten angemessen auszugleichen und nach gemeinsamen Gesichtspunkten zu regeln.
Daraus, dass die genannten Classen von Gewerbtreibenden im Auftrage anderer Personen thätig sind, folgt, dass sie sämmtlich als deren Stellvertreter und Bevollmächtigte angesehen werden müssen. Denn die ihnen ertheilten Aufträge sind in der Hauptsache auf die Vornahme und Abschliessung von Handelsgeschäften gerichtet, d. i. von Rechtsgeschäften, die der Handelsbetrieb mit sich bringt: Einleitung, Verhandlung, Abschiessung, Erfüllung von Verträgen und Vollziehung anderer Geschäfte mit rechtlicher Wirkung. Die allgemeinen Grundsätze über Stellvertretung in Handelssachen sind daher auch auf diese Classen von Gewerbspersonen anwendbar; sie müssen je nach der besonderen Natur der Aufträge, die sie ausführen, und mit Rücksicht auf ihr eigenes Handelsinteresse, das sie bei der Ausübung ihres Berufes verfolgen, theils erweitert und speciell im einzelnen dargelegt, theils auch in mancher Hinsicht modificirt werden. So haben z. B. Mäkler die verhältnissmässig beschränkteste Vertretungsbefugniss, können aber als Vertreter beider Theile bei einem Handelsgeschäfte fungiren; die Befugnisse der Commissionäre sind umfassender, wie die der Agenten, und Spediteure kommen nicht mehr als blosse Vertreter, sondern zugleich als Gegenpartei in Betracht ; letzteres gilt in gewissen Fällen auch von Commissionären.
Frachtführer und andere Transportunternehmer — mit Ausschluss des Seetransports — stehen den vier anderen Classen von Gewerbspersonen insoferne gleich, als sie ihr Gewerbe nur im Auftrage Anderer ausüben, insoferne sie regelmässig nicht ihre eigenen Waaren transportiren. Sie unterscheiden sich aber von ihnen insoferne, als der ihnen ertheilte Auftrag nicht auf die Vornahme von Rechtsgeschäften, sondern von mechanischen Leistungen geht. Der Transportvertrag ist zwar ein Rechtsgeschäft, zu dessen Eingehung für Andere eine Vollmacht nothwendig ist; nicht aber der Transport selbst, der nur in äusserlicher, physischer Kraftanwendung besteht. Um die Ausführung eines Transports zu ermöglichen, sind zwar manchfache Rechtsgeschäfte nöthig, als Ankauf von Fuhrwerken, Zugthieren, Anstellung von Dienstpersonal u. s. w. Allein in Bezug auf diese Rechtsgeschäfte ist der Transportunternehmer nicht Vertreter, sondern Principal und steht dem Auftraggeber nicht anders gegenüber wie der Verkäufer oder Vermiether von Waaren. Es besteht zwar in der Handelswelt die Neigung, auch bei dem gewöhnlichen Kauf oder der Bestellung von Waaren von „Aufträgen” zu sprechen; dies ist aber nur Courtoisie der commerciellen Geschäftssprache und nicht im juristischen Sinne zu nehmen. Der Verkäufer oder Lieferant ist niemals ein Mandatar des Käufers oder Bestellers, er geht mit ihm ein vollständig unabhängiges Vertragsverhältniss ein. Der Transport dagegen ist die Ausführung eines Auftrages, da er nur im Interesse Anderer erfolgt und zu den Hülfsverrichtungen des Handels gehört, die dem Hauptzweck des Handels, dem Waaren-und Personenverkehr, untergeordnet sein müssen. Der Transport ist aber, wie bemerkt, eine rein mechanische Leistung und schliesst daher eine Vollmacht nicht in sich. Daher können auf das Transportgewerbe die allgemeinen Bestimmungen über Stellvertretung nicht in der Weise anwendbar sein, wie auf die vier anderen in diesem Titel behandelten Gewerbszweige. Gleichwohl steht auch der Transportunternehmer in gewisser Hinsicht einem Mandatar gleich oder doch nahe. Ein Transportauftrag kann einseitig zurückgenommen werden (Art. 567); der Transportunternehmer ist den Anweisungen des Versenders unterworfen und hat auch ohne besondere Anweisung das Interesse desselben gleich einem Agenten zu vertreten (Art. 565). Aus diesem Grunde und weil die Verhältnisse eines Frachtführers vielfach mit denen eines Spediteurs zusammenfallen, erschien es angemessen, das Frachtgeschäft in dem Zusammenhange des gegenwärtigen Titels zu behandeln, wie es auch im Französischen Code de commerce und in den meisten übrigen Gesetzgebungen geschehen ist.
Sämmtliche in diesem Titel genannte Personen sind Vertrauenspersonen, insoferne ihnen Güter oder Personen, oder gewisse Rechte der Verfügung über Güter für Handelszwecke anvertraut werden. Ausserdem sind sie äusserst wichtige Hülfspersonen des Handels, von deren eifriger und sachkundiger Thätigkeit das Gedeihen und der Aufschwung des Handels in hohem Grade abhängt. Insbesondere ist der ehrliche und gewissenhafte Betrieb dieser Gewerbszweige eine unerlässliche Bedingung für die Erfolge der Handelswelt überhaupt. Die strenge, aber gerechte Regulirung ihrer Rechtsverhältnisse ist daher absolut nothwendig. Ihre Verpflichtungen sind scharf und weit zu bestimmen; andererseits aber auch ihre Rechte derart, dass ihre Thätigkeit lohnend und unabhängig bleibt. Da diese Gewerbszweige für Japan verhältnissmässig neu oder doch wenig entwickelt sind, erschien es zweckmässig, die auf sie bezüglichen Rechtsgrundsätze ausführlicher als in den älteren Gesetzbüchern auseinander zu setzen.