Art. 73. Der zweite Fall betrifft die Verabredung gesonderter Geschäftsführung, aber gemeinschaftlicher Theilung von Gewinn und Verlust. Ein solcher Vertrag scheint kein Gesellschaftsvertrag zu sein, da keine Beiträge für einen gemeinsamen Zweck gemacht werden. Allein dies ist nur scheinbar, weil jeder Theil seine Geschäfte mit den nöthigen Mitteln führen muss, diese Mittel aber thatsächlich durch das Resultat gemeinsamen Gewinns und Verlustes gemeinschaftlich gemacht werden. Auch wird einem solchen Vertrag regelmässig eine Coalition zu Grund liegen, nämlich die Verabredung gemeinsamer Grundsätze der Geschäftsführung, wodurch jeder Theil gegen den anderen Verpflichtungen übernimmt, die in die Kategorie von Beiträgen gesetzt werden können. Diese Coalition kann sich auf die Normirung der Preise, auf die Beobachtung gewisser Geschäftsregeln, überhaupt auf das Verhalten gegenüber dem Publicum beziehen. Eine Coalition ist noch keine Gesellschaft, sie wird dies aber dadurch, dass das Moment der Gemeinschaft von Gewinn und Verlust hinzutritt. Diese Gemeinschaft soll nun auch in diesem Falle die Gemeinschaft der Rechte und Verpflichtungen nach sich ziehen, aus demselben Grunde und in derselben Weise, wie im ersten Falle.
Wenn z. B. der Verkehr zwischen verschiedenen Orten von mehreren Dampfern, die verschiedenen Eigenthümern gehören, besorgt wird, so liegt unter den vorhin genannten Voraussetzungen ein Gesellschaftsverhältniss vor, wenn auch keine förmliche Handelsgesellschaft. Es kann dabei vorkommen, dass der Führer eines Schiffes auch zur Führung der anderen Schiffe verwandt wird, dass die Billete eines Schiffes auch für die übrigen gelten, dass sie die täglichen Fahrten nach einem bestimmten Plan unter sich vertheilen, dass der von einem Schiffe übernommene Gütertransport gelegentlich auch von andern Schiffen besorgt wird, dass wenn ein Schiff reparaturbedürftig wird, dessen Fahrten von den anderen Schiffen übernommen werden u. dgl. Diese und andere Verabredungen stehen in dem Belieben der betheiligten Eigenthümer, sie können mehr oder minder weit gehen, auf das Rechtsverhältniss selbst nach aussen sind sie ohne Einfluss. Es kann ein solcher Vertrag auch zwischen verschiedenen Eisenbahnen, zwischen einer Bahn- und einer Canalgesellschaft, zwischen mehreren Fabrikoder Handelsetablissements u. s. w. geschlossen werden. Die Verabredung der Theilung von Gewinn oder Verlust ist immer das entscheidende ; thatsächlich wird und muss diese auch eine wenigstens thatsächliche Gemeinschaft des Betriebs bedingen, wenn auch die Geschäfte an sich getrennt geführt werden. Mit Ausnahme dieses letzteren Punktes liegen die Dinge rechtlich hier ganz ebenso wie im ersten Falle es müssen also auch dieselben Rechtsfolgen eintreten.
Nur die Ausnahme wird hier gemacht, dass dritten Personen, oder gegen dritte Personen, welche mit den Theilnehmern Geschäfte machen, die Einrede der Vorklage gestattet wird. Dies ist eine Concession an die Thatsache der getrennten Geschäftsführung. Es würde, wenn diese vertragsmässig besteht, zu grosse Störungen und Verwicklungen herbeiführen, wenn jeder Theil unmittelbar und sofort von Dritten Zahlungen annehmen oder an Dritte Zahlungen leisten könnte. Bei Unternehmungen von. irgend grösserem Umfange würde dies den Geschäftsbetrieb unnöthig erschweren und die gegenseitigen Abrechnungen ungemein verwickeln. Es ist daher bestimmt, dass dritte Personen zunächst sich an denjenigen Theil zu halten hat, mit dem es unmittelbar zu thun hatte; und erst subsidiär der andere Theil, gleich einem Bürgen, haftbar sein soll. Die gleiche Ordnung soll Umgekehrt beobachtet werden bei Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte. In dieser letzteren Beziehung ist jedoch zu unterscheiden. Gesetzt A und B stehen in Gemeinschaft, und Jemand schuldet eine gewisse Summe dem A. Würde er diese Summe an B zahlen wollen, so könnte dieser ihn abweisen und zur Zahlung an A verweisen. Das Anerbieten der Zahlung an B würde also kein legales Anerbieten (legal tender) sein. Würde aber der Schuldner von B auf Zahlung der schuldigen Summe belangt, so könnte er dagegen geltend machen, dass er unmittelbar nur Schuldner des A sei. Eine Einrede der Vorklage im strengen Sinne des Wortes wäre dies offenbar nicht. Auch ist es mehr eine Sache der Geschäftsordnung zwischen den betheiligten Gessellschaftern, ob der eine Zahlungen für den anderen soll annehmen oder eintreiben dürfen. Hierüber braucht daher nichts besonderes erwähnt zu werden. Der andere Theil wird aus den Geschäften eines Theilnehmers nur berechtigt, er kann aber nicht gezwungen werden, sein Recht unmittelbar auszuüben. Wenn er es thut, wird dies auf Vereinbarung beruhen, und der andere Theilnehmer muss dies für sich anerkennen. Thut er es nicht, so wird dies zufolge der zwischen ihnen vereinbarten Geschäftsordnung geschehen, die von Dritten anerkannt werden muss. Durch die Umstände (z. B. Zahlung von Billeten an der Gasse, oder im Bureau u. s. w.) und durch geeignete Notificationen in den Geschäftslocalen kann leicht jeder Irrthum verhütet werden.